29 Apr. Nicht Milano, aber Junior – Marken und Verbraucherschutz
Ene mene meine Meinung
Politik und Verbraucherschutz
Werbung und Propaganda, Verbraucher und Wähler
Der Alfa Romeo „Milano“ darf nicht „Milano“ heißen. So ist es in diversen Online-Beiträgen zu lesen. Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung Adolfo Urso, verbietet dem italienischen Automobilhersteller Alfa Romeo sein neues und vollelektrisches MiniSUV „Milano“ zu nennen (den gibt es vollelektrisch und teileleketrisch als Hybrid, aber das spielt hier jetzt mal keine Rolle). Die Kiste ist wohl unter der Karosserie baugleich mit dem Citroen DS 3 und dem Opel Mokka, und diese Modelbezeichnung ginge in Italien ja schon zweimal nicht: Mokka! „Non siamo ottomani!“ Wir sind doch keine Osmanen, wird sich gleich empört! Wenn schon Kaffäääää. Oder Espresso. Auch ohne Giotto.
Warum das Gedöhnse um einen italienischen Namen für ein italienisches Auto? Weil das Autochen nicht in Italien gebaut wird, sondern in Polen. Die Argumentation des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung, der für den Namenswechsel verantwortlich zeichnet, ist in der Sache gut, der Gesetzestreue und sogar dem Verbraucherschutz an sich zuträglich. Wenn etwas nicht im eigenen Lande hergestellt ist, in diesem Falle Italien, bella Italia, dann dürfe auch kein Name einer italienischen Stadt oder anderen italienischen geografischen Begebenheit im Namen geführt werden. Keine neue Verordnung und soweit so dem Gesetz entsprechend. Denn 2003 wurde ein Gesetzt in Italien eingeführt, dass verhindern soll, dass Verbraucher mit entsprechenden Angaben in die Irre geführt werden. Aha.
Wieso sich aufregen? Dabei machte ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit in Sachen Markenbildnerei, und nicht nur dieses Beispiel wie wir sehen werden, bei den Konsumenten und innen von sich reden: Die TOBLERONE, schweizer National Schokchiriegel, Gaumenschreck und klebrige Süßspeise, darf in Zukunft nicht mehr mit dem Matterhorn auf der Verpackigch beworben werden. Man hat die Produktion mit einem Teilumzug (?) nach Bratislawa in die Slowakei, also hinaus aus der Schweiz verlegt. Und da geografische Namensattribute, ob nun bildnerisch oder sprachlich, dem Konsumenten als eine Art Wert- und damit auch Qualitätsversprechen eingebläut wurden und seither gelten, muss man davon ausgehen, dass sich die Konsumenten und Konsumentinnen zu recht betrogen fühlen. „Betrug!“ hört man weltweit die Freunde der schweizer Schokoikone rufen. „Die ist ja gar nicht echt. Und jetzt da wir es wissen, schmeckt man es auch direkt und überhaupt!“ Wäre es medial nicht breitgetreten worden, hätte es keiner bemerkt. Der Austausch des Matterhorns durch eine sicherlich ebenfalls hübsche und besteigenswerte Erhebung des Tatra (Achtung, hier ist kein LKW gemeint), hätten die Hard-Core-Tobleronisten sicher um den Genuss gebracht, den Gelegenheitsmampfer kaum beeindruckt, und allen anderen wäre es sowas von wumpe.
Ich finde es gut, das Unternehmen ein Riegel (Schokoriegel?) vorgeschoben wird, wenn Produktionen beliebter und erfolgreicher Produkte aus Gründen der Produktionskosten-reduktion (reine Annahme meinerseits, Gründe kann es – zumindest gedacht – viele geben) ins kostengünstigere Fremdland verschoben werden. Im Falle der Schweiz ist das noch hintergründiger. Die Schweiz ist ein von Mitgliedsstaaten der europäischen Union umschlossenes Land, mit dem Nimbus eine Insel der finanziell Glückseligen versehen, ist also kein EU-Mitgliedsstaat und wird auch als EU-Drittland bezeichnet. Das bedeutet keinesfalls, dass es sich um ein Dritteweltland handelt. Wenn man der Schweiz auch unterstellen mag, das mit Blick auf die EU-Staaten eher umgekehrt zu sehen. Die Slowakei ist ein EU-Mitglied, in dem Dinge wie Schokolade möglicherweise kostengünstiger produziert werden können (aber was weiss ich denn schon, jeder mag sich da seine eigene Meinung bilden). Möglicherweise zu unrecht unterstellt, unter weniger Aufsicht, was sich in der Qualität des Produktes niederschlagen könnte. Ob man es merken würde …? Wenn die Qualität, also des Produktes aber auch des Herstellungsprozess stimmt, ist es mir persönlich Jacke wie Hose wo ein Produkt hergestellt wird, ob EU, oder wo auch immer. Wenn aber nun ein Unternehmen aus einem der reichsten Länder sich in ein „billiges“ Nachbarland verkrümelt, hat das einen Beigeschmack den man nicht in seiner Schoki haben möchte.
Das erinnert mich an einen Skandal hier vor der Haustüre, als ein laktosetolerantes Unternehmen für Produkte aus und rund um die Milch (mit einer ganz zauberhaften Markenerscheinung), das Versprechen nur Milch aus dem Breisgau (heute Breisgau-Hochschwarzwald) zu verwenden nicht gehalten hat. Es sickerte die Info durch, das für einige Produkte nicht nur Milch den Kühen des Allgäus entnommen wurde, sondern die besagten Produkte auch noch direkt dort vor Ort hergestellt wurden, um dann in die Region der Versprechung [den Breisgau] verbracht zu werden. Das ist wie Thüringer Rostbratwürste aus Hamburg, … klar soweit. Der Kunde hat es erst gemerkt, als es bekannt wurde. Als man die Vertreter von Recht und Ordnung darauf aufmerksam machte, wurde der Milchschieberei ein Riegel vorgeschoben. Im selben Jahr noch wurde aus die Regionsbezeichnung aus dem Namen gestrichen und so verändert, dass man nun auch allgäuer Milchvieh ohne Verdacht an den Euter gehen durfte. (die Geschichte dieses Betriebs zur Milchverarbeitung kann auf Wikipedia nachgelesen werden – immer unter dem Hinweis, das bei Wikipedia auch mal ein ziemlicher Mist drinstehen kann. Im Großen und Ganzen scheint das aber recht verlässlich zu sein. Dennoch: Doppelt gecheckt ist immer besser!).
Marken- und damit Qualitätsversprechen sind für Konsumenten sowas wie ein Kompass für Qualität. Man vertraut darauf, dass man selbst durch Gesetze vor Betrug geschützt ist, statt sich selbst zu schützen und sich einfach über die Produkte zu informieren. Lokal zu kaufen bedeutet qualitätsbewusstes Einkaufen. Vielfältige Aspekte sind daran geknüpft. Das beginnt bei Arbeitsplätzen, Traditionsbewusstsein und Stolz für lokale Erzeugnisse und Steuern. Aber das sind eben auch die Punkte die Unternehmen in kostengünstigere Gegenden weltweit treiben. Denen ist die Tradition in den meisten Fällen nur soviel wert, wie es sich im Gewinn niederschlägt.
Wenn auch, meiner bescheidenen Meinung, nach die Netze der Gesetze wirtschaftlich interessiert großmaschig verknüpft sind, finde ich es doch ein positives Zeichen, das diese Gesetze funktionieren, wenn sich denn mal was darin verfängt.
In anderen Bereichen ist der Schutz geografischer Herkunftsbezeichnungen schon lange gesetzlich etabliert und von den Herstellern entsprechender Produkte – zwangsläufig – akzeptiert. DOC heißt zum Beispiel eine berühmte Abkürzung und bedeutet im italienischen „Denominazione di origine controllata“ und bedeutet soviel wie kontrollierte Ursprungsbezeichnung. Ebenso darf ein Tresterbrand der nicht in Italien hergestellt ist auch nicht Grappa heißen. Champagner ist noble Blubberbrause aus der Champagne. Alles andere heißt Crèmant, oder irgendwas mit Méthode traditionelle oder sowas. Selbst eine Sauce Hollandaise aus der Fertig-Packung muss als Sauce nach Art Hollandaise oder so benannt werden. Sonst kann man dem Gastronomen ein schiefes Ei auf die Schiene nageln.
Der Kunstkniff hierbei ist, dem Verbraucher das Gefühl zu geben mit offenen Karten zu spielen. Apple beispielsweise schreibt auf seine Geräte „Designed in Cuppertino“ (da weiss nur der Nerd wo das sein soll) aber „Assembled in Thaiwan“ oder China, oder wo die sonst ihren Gewinn maximieren.
Man unterscheidet „Made in“ von „Designed in“ sowie „assembled in“. Der Verbraucher sieht und fühlt sich nicht verarscht, und zeitgleich ist es ihm total wurscht wo das Zeug herkommt, Hauptsache das Produkt ist günstig und es hebt seine, also des Konsumenten, Life-Style-Credibility. (Warum auch sonst sollte man billige Kopien teurer Markenarmbanduhren am Strand kaufen wollen).
Zurück zum Alfa. Wo also ist das Problem? Eigentlich doch alles gut, möchte man meinen.
Aber weil Herr Urso eben einer rechtspopulären Partei angehört, hat alles in Bezug auf Nationalität einen leicht verderblichen Charakter und wird schnell bräunlich. Verbraucherrechtlich ok, aber von den falschen Leuten für ihre eigenen Zwecke in schlechtem Licht in Szene gesetzt. [So gesehen zumindest fällt es leicht, zu urteilen. Man mag so jemandem keine lauteren und dem Volke zuträglichen Absichten bescheinigen.] Dabei können schlechte Menschen aus den falschen Gründen was Gutes entstehend lassen. Aber eben auch umgekehrt, woran man gut tut sich beizeiten zu erinnern. Wobei ich weder irgendwas andeuten noch kolportieren möchte.
Über so viel unerwartete mediale Aufmerksamkeit freuen sich die Alfa-Verantwortlichen.
Erinnerungen werden wach als die Mercedes A-Klasse vor einem Elch umkippte. Das hat dem Verkaufserfolg nicht geschadet. Das italienisch-polnische Autochen wird nun Alfa Junior heißen – ein bei Alfisti recht bedeutsamer Name.
Hätte man nicht nur die Technik des Opels sondern auch den Namen „Mokka“ übernommen – der Name hätte in Italien mit großer Wahrscheinlichkeit eine deutlich größere Welle an Entrüstung ausgelöst, als es das Gezanke um den Namen Milano je geschafft hätte.
Zunächst: Ein Disclaimer, ein Haftungsausschluss.
Was weiter unten zu lesen ist, habe ich politisch bereinigt, aber ich denke der aufmerksame Leser, oder die aufmerksame Leserin, werden schon merken auf was das unter anderem hinausläuft.
Primär geht es um das Thema Verbrauchersteuerug, Marken- bzw. Produktversprechen und sekundär um möglicherweise politisch motivierte Praktiken, die aus fragwürdiger propagandistischer Absicht heraus etwas Positives bewirken.
Die Informationen wurden von mir aus verschiedenen Online-Medien zusammengetragen (s. Anmerkgn. im Text) und haben keinen Anspruch auf absolute Faktentreue.
Quellen:
Wikipedia, Online-Automagazin motor1.de (Beitrag vom 16.04.2024)
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